„Der Zölibat ist nur der Rahmen für das Priestertum“
Sonntagsmatinee zum Thema Zölibat am 2. Juni 2019
Zur 4. Sonntagsmatinee am 2. Juni 2019 hatte sich Pfarrer Dr. Christof Strüder, ehemals Leiter des Bischöflichen Priesterseminars, als Gesprächspartner am Kirchort St. Peter & Paul, Schierstein, zur Verfügung gestellt. Gut 40 interessierte Menschen wollten sich über das Thema Zölibat austauschen.
„Der Zölibat ist nur der Rahmen für das Priestertum“
Zum Einstieg in die Diskussion bat die Moderatorin um Meinungen aus dem Publikum. Dabei stellte sich heraus, dass sich für viele kein Sinn im Zölibat erkennen lässt. Ein Gast stellte die These in den Raum, dass nicht die Abschaffung des Zölibats an sich für die Kirche problematisch sei, sondern vielmehr die Konsequenzen, die sich daraus ergeben könnten:
Wie reagiert die Kirche, wenn die Partnerschaften der Priester scheitern oder gar eine Scheidung im Raum steht? Wie geht sie mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften von Priestern um? Was wenn der Ehepartner nicht glücklich ist mit der „Berufswahl“ Priester und dem Leben, das dies mit sich bringt?
Eine Teilnehmerin beschrieb den Zölibat als Machtdemonstration einer „Männerdynastie“, die dazu diene, das Weibliche fernzuhalten. Dadurch werde bis heute verdeutlicht, dass die Frau für die Kirche etwas „Teuflisches“ mit sich bringe: die Sexualität. Eine andere Teilnehmerin beschrieb den Zölibat als unpassend zu ihrem christlichen Glauben, der die Liebe in den Mittelpunkt stellt. Aber ausgerechnet der Zölibat belaste die Liebe negativ.
Dass es auch anders gehe, beschrieb ein Teilnehmer, der berichtete, dass in der Vergangenheit mehrere evangelische Priester zur katholischen Kirche übergetreten sind und dann ohne weiteres als verheiratete katholische Priester leben durften.
Pfarrer Strüder bestätigte diese Fälle und gab noch weitere Beispiele für katholische Priester, die nicht an den Zölibat gebunden sind, etwa in den Ostkirchen. Grundsätzlich sei zwischen dem Enthaltsamkeits-Zölibat, der das enthaltsame Leben in einer Ehe erlaube, und dem Ehelosigkeits-Zölibat zu unterscheiden, so Strüder. In den Anfängen der katholischen Kirche habe es keine Verpflichtung zum Zölibat gegeben, wohl aber die Reinheitsvorstellung der Enthaltsamkeit. Erst im 11. Jahrhundert sei dann das Ehelosigkeits-Zölibat festgelegt worden, wobei mit Sicherheit auch Machterhalt und Besitztümer eine Rolle spielten.
Mit Blick auf die heutige Zeit verwendete Strüder die Metapher eines Gemäldes:
Es gibt das Bild, das man anschaut, und den Rahmen darum herum. Der Zölibat ist nur der Rahmen. Ich fände es schade, nur auf den Rahmen zu schauen und nicht das Bild zu beachten.
Zentrale Frage sei doch, worum es eigentlich geht, wenn ein Mann Priester werde und was dafür die besten Rahmenbedingungen seien. Das könne der Zölibat sein, müsse er aber nicht. „Natürlich darf das Priestertum nicht zur Machtdemonstration werden“, griff Strüder die Kritik einer Vorrednerin auf. „Das Priestertum ist ein Demutsdienst“, verwies er auf Jesus, der sein ganzes Leben für andere hingegeben hat. „Überall wo Menschen das tun, leben sie einen priesterlichen Dienst.“
Viele Diskussionsteilnehmer zeigten sich dennoch nicht überzeugt von Sinn und Wirkung des Zölibats:
Tatsache ist doch, dass manche Priester trotzdem in Partnerschaften leben, aus denen auch Kinder entstanden sind. Diese Kinder dürfen aber ihren Vater nicht nennen“, warf eine Teilnehmerin ein. Die Menschenwürde des Kindes, von dem verlangt werde, den eigenen Vater zu verleugnen, werde verletzt. „An dieser Unglaubwürdigkeit reiben wir uns!
Strüder räumte ein, dass die Kultur des Umgangs mit dem Scheitern des Zölibatsversprechens verbessert werden müsse.
Ein anderer Teilnehmer bemerkte, dass die biblische Begründung für den Zölibat bis zum Zweiten Laterankonzil niemanden interessiert habe: „Die katholische Kirche sollte uns Halt geben, tatsächlich hat sie aber ein Glaubwürdigkeitsproblem. Die äußerst zaghafte Aufarbeitung des Missbrauchs ist ein weiteres Beispiel dafür.“ Tatsächlich habe die Gesellschaft inzwischen ein negatives Bild von Priestern, die meistens nur noch Verwaltungsmanager ihrer Gemeinden sein könnten.
Die Lösung ist, die Ämter für Frauen zu öffnen, damit wir dieses Bild verändern können.
Jesus könne seine Grundhaltung durchaus auch in einer Frau wiederfinden, erwiderte Strüder mit Verweis auf die Spende der armen Witwe in Mk12. „Das Evangelium war diesbezüglich seiner Zeit um Längen voraus.“ Strüder plädierte in diesem Zusammenhang für regionale Lösungen: „Die Kirche muss nicht alles für die ganze Welt gleich regeln“, verwies er auf Papst Franziskus, der die Bischöfe darin unterstütze, Lösungen in den Regionen zu finden. Dazu brauche es aber auch Toleranz bei den Christen.
Die Veranstaltungsreihe „Sonntagsmatinee – Christen sagen ihre Meinung“ legt eine kurze Sommerpause ein.
Am 1. September 2019 steht das Thema Missbrauch auf der Tagesordnung. Mit uns im Gespräch: Stephan Menne, Leiter der Koordinationsstelle Prävention vor sexualisierter Gewalt, Präventionsbeauftragter des Bistums Limburg
Kommende Termine und alle Berichte der bisherigen Diskussionsveranstaltungen finden Sie auf: http://www.christen-schierstein.de
Wer selbst etwas vorschlagen oder sich beteiligten möchte, kann sich an die Organisatoren wenden unter: meinung@christen-schierstein.de
Christina Kahlen-Pappas