Anke Jarzina
Anke Jarzina ist seit 2005 im Dienst des Bistums Limburg. Nach ihrer Ausbildung in Oberursel war sie für knapp zwei Jahre in Wiesbaden-Frauenstein als Pastoralreferentin tätig, bevor sie sich zum ersten Mal in die Elternzeit verabschiedete. Nach der Geburt ihrer Tochter arbeitete sie in Frankfurt-Bockenheim. Nach der Geburt des zweiten Kindes konnte sie sich beruflich in ihrer Wohnortpfarrei in Eltville (St. Peter und Paul Rheingau) einbringen. Sie war dort zuletzt vor allem für die Koordination der Kirchenentwicklung zuständig und konnte einige innovative pastorale Projekte anstoßen, z.B. den „EingeLaden“ (den ersten „Schenkeladen“ im Rheingau) oder das auf Charismenförderung angelegte Projekt der „Kundschafter“. Anke Jarzina wird ihren Dienstsitz mit einem Stellenumfang von 60% in Biebrich beziehen (Kirchort Herz Jesu). Sie wird ihre Aufgaben überwiegend auf Pfarreiebene wahrnehmen, die Kirchenentwicklungen vor Ort in den Blick nehmen und bei Bedarf strukturieren, koordinieren und unterstützen.
Frau Jarzina, was hat Sie motiviert Pastoralreferentin zu werden?
In meiner Heimatpfarrei im Kloster Schönau gab es einen Pastoralreferenten, der dort gemeinsam mit seiner Familie auf eine unglaublich weltoffene, den Menschen dienende, wertschätzende und präsente Art lebte und Gemeinde prägte. Diese Art zu leben hat mich sehr angesprochen, weil sie vielen Menschen geholfen hat, sich aus Nöten und Ängsten zu befreien. Ich hatte immer das Gefühl: Da wird Welt verbessert, da wird Liebe in die Tat umgesetzt - und nicht nur drüber gesprochen. Ich fand das sehr authentisch - aber vor allem auch sehr jesuanisch! Ich wollte das auch, auch in meinem Beruf. Deshalb habe ich Theologie studiert, um diesen Beruf aus Berufung ausüben zu können.
Was machen Sie in Ihrer Freizeit?
In meiner Freizeit handwerkere ich gern, entweder im Haus oder Garten, mache Sport, lese oder schaue mir Serien an. Am allerliebsten bin ich draußen in der Natur: wandern, Rad fahren, spazieren gehen… Natürlich verbringe ich auch Zeit mit meiner Familie, das kommt meistens vor allem anderen. Weil ich versuche, die Botschaft Jesu auch außerhalb meines Berufslebens in die Tat umzusetzen (und weil ich denke, dass wir als Christen eine wichtige Verantwortung für unsere Gesellschaft haben), engagiere ich mich außerdem in der Eltviller Kommunalpolitik.
Und wie leben Sie Ihren Glauben im Alltag?
Ich glaube, dass „Gott in allen Dingen“ ist, wie es der Heilige Ignatius von Loyola sagt. Dort will er gesucht und gefunden werden. Glaube im Alltag leben bedeutet für mich vor allem, mit diesem Blick durch die Welt und das Leben zu gehen und aufmerksam darauf zu sein, wie und wo und durch wen oder was mir Gott gerade entgegenkommt. Dieser Blick ist unglaublich bereichernd und zeigt mir immer wieder, in welcher Fülle ich leben darf. Um diesen Blick zu schärfen, versuche ich jeden Morgen mit einer kurzen Meditation in den Tag zu starten - am besten dann, wenn die Familie noch schläft. Ansonsten halte ich es gerne mit Freré Roger, dem Begründer von Taizé, der gesagt hat: „Lebe das, was du vom Evangelium verstanden hast. Und wenn es noch so wenig ist. Aber lebe es.“
Sie kennen den Wiesbadener Westen schon ein bisschen. Worauf freuen Sie sich, wenn Sie Ihren Dienst (wieder) in unserer Pfarrei beginnen?
Auf die Menschen! Ich freue mich sowohl auf die alten Bekannten als auch auf die vielen neuen Leute. Und wenn bei diesen Begegnungen dann irgendwann neue Ideen für die Entwicklung und Zukunft unserer Kirche entstehen, freue ich mich umso mehr…
Wo sehen Sie Schwierigkeiten und Hindernisse in den heutigen Kirchengemeinden?
Kirchen haben es grundsätzlich schwer in unserer Gesellschaft, das zeigen die Austrittszahlen. Dafür gibt es natürlich vielschichtige inner- und außerkirchliche Gründe. Ich glaube: Ein konkretes Problem der heutigen Kirchengemeinden ist, dass die großen pastoralen Zusammenhänge es schwer machen, Beziehungen untereinander aufzubauen. Die „Pfarrei Neuen Typs“ ist eine Struktureinheit, die man aus Verwaltungsgründen braucht und die auch viele Vorteile hat, Stichwort Synergieeffekte. Aber sie kann nicht mehr als Pfarrei in dem Sinn verstanden werden, wie wir das noch von früher kennen: Ein begrenzter, überschaubarer Raum, wo man sich zusammengehörig und (im Idealfall) einem persönlich bekannten Pfarrer zugeordnet fühlt. Ich glaube schon, dass wir auf solche Begegnungs- und Beziehungsräume nicht verzichten können, aber wir müssen lernen, dass sie auch gut ohne Pfarrer oder Hauptamtliche existieren können - schon allein deshalb, weil es davon immer weniger gibt. Ich glaube auch nicht, dass diese Räume territorial eingefaßt sein müssen, wie die Pfarrei im ursprünglichen Sinn. Christian Hennecke, der Leiter der Hauptabteilung Pastoral im Bistum Hildesheim und Autor vieler Bücher zum Thema Kirchenentwicklung, hat das mal eine „fluidere Gestalt von Kirche“ genannt. Das hat mir gefallen, weil es zeigt: Kirche muss nicht, kann auch nicht und darf gar nicht so bleiben, wie sie „immer“ war. Sie pilgert durch die Zeit. Nennen sie mir mal einen Pilger, der sich während seiner Reise nicht in irgendeiner Art und Weise verändert hätte. Zumindest muss er sich immer dem Weg, auf dem er geht, anpassen - oder nicht? Das ist anstrengend, aber nur so kommt man voran.
Wie sehen Sie „die Kirche“ in 30 Jahren?
Ich glaube, dass wir unseren Enkeln von einer Volkskirche erzählen werden, die es so dann nicht mehr geben wird, von prunkvollen Prozessionen und vollen Gotteshäusern, von Weihrauch und Pfarrern, die jeden am Ort kennen. Wir werden definitiv zur Minderheit, sind es ja vielerorts jetzt schon. Ich glaube, dass wir als Kirche wieder mehr zu den kleinen „Einheiten“ zurückfinden werden, wie es sie ganz am Anfang gegeben hat: Da gibt es ein paar Menschen, die von der Geschichte, den Worten und Taten Jesu so berührt und begeistert sind, dass sie immer wieder zusammen kommen wollen, um sich gegenseitig von den eigenen Glaubenserfahrungen zu erzählen und um genau das als Bereicherung zu erfahren. Um miteinander zu essen, zu trinken, zu beten - wie die ersten Jünger. Und ich denke, dass Christen aus ganz verschiedenen Ecken der Welt sich auch immer mehr in „digitalen Räumen“ vernetzen, sich austauschen und begegnen werden.
Vielen Dank für das nette Gespräch, weiterhin einen guten Start und vor allem: Herzlich willkommen!
Die Fragen stellte Pastoralreferent Manuel Gall
