Sonntagsmatinee über Homosexualität
Am 6. Oktober 2019 befasste sich die Diskussionsreihe „Christen sagen ihre Meinung“ mit dem Thema Homosexualität. Leitfrage war, welche Erfahrungen Homosexuelle mit der (Amts-)Kirche machen und wie Laien dazu stehen. Das Gespräch am Kirchort St. Peter und Paul, Schierstein, begleitete Thomas Pöschl, Vorstandsmitglied des Vereins Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) e.V., gemeinsam mit seinem Ehemann Thomas Herold.
„Katholisch und schwul, das entdeckte ich langsam, das habe ich mir nicht ausgesucht“
stellte Pöschl klar und gab den Gästen der Matinee einen eindrucksvollen Einblick in seine persönliche Entwicklung. Nicht über seine Empfindungen reden zu können, war für ihn belastend. Denn in der katholischen Kirche kam Homosexualität nicht vor. Dabei sei der Anteil Homosexueller unter den Priestern auffallend höher als in der Gesamtbevölkerung, wo sich die Zahlen zwischen 6 und 10 % bewegen. Im Priesterseminar seien es laut Insidern bis zu 40 %. „Das liegt auch daran, dass man sich als Priester nicht der unangenehmen Frage stellen muss, warum man keine Freundin hat und so auch nicht in Erklärungsnot kommt“, beschrieb Pöschl.
Viele betroffene Menschen zeigen ihre wahre Persönlichkeit nicht in der katholischen Kirche, führen oft lange ein Doppelleben und leiden unter diesem Versteckspiel. Für Pöschl änderte sich das, als er erstmals 1994 zu einem katholischen Gottesdienst für Schwule und Lesben in Frankfurt ging: „Ich erlebte dort eine Offenheit und Akzeptanz, die befreiend wirkte.“ Bis heute werden diese Gottesdienste für alle offen an jedem ersten Sonntag im Monat um 18:30 Uhr in der Kirche Maria Hilf in Frankfurt angeboten. Jeder sei herzlich dazu eingeladen.
Dort haben sich auch Pöschl und sein Ehemann kennengelernt. Als es 2001 möglich wurde, eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft gesetzlich eintragen zu lassen, haben beide Männer diesen Schritt vollzogen und fanden zu ihrer Freude auch einen katholischen Priester, der im Rahmen eines Gottesdienstes eine Segensfeier für ihre Partnerschaft hielt. Einen offiziellen liturgischen Ablauf für eine solche Segnungsfeier gebe es in der katholischen Kirche aber bis heute nicht. Sie haben ihn mit dem Priester selbst entwickelt.
Die katholische Kirche tut sich immer noch schwer
Das ist nicht selbstverständlich, denn die katholische Kirche tut sich mit dem Thema Homosexualität schwer, wie Pöschl beschrieb. „Erst vor etwa zwei Jahren machte Bischof Bode aus Osnabrück deutlich, dass die Kirche ihre Haltung zur Homosexualität überdenken muss.“ Doch immer noch herrsche Unklarheit über viele wichtige Fragen:
„Wie bewertet die Kirche die Liebe von Menschen, die verantwortungsvoll und bindungsbereit sind? Wie können sie seelsorglich und gottesdienstlich begleitet werden?“
Anfänge seien da, besonders das Bistum Limburg sieht Pöschl hier in einer Vorreiterrolle. So gebe es in der Stadtkirche Frankfurt bereits eine seelsorgliche Stelle für Betroffene und Angehörige.
Bereits 1977 wurde auf dem evangelischen Kirchentag in Berlin die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) gegründet und ist seitdem auf jedem Kirchentag mit einem Stand und Podiumsdiskussionen präsent. Auch evangelische Pastoren sind als Mitglieder der HuK vertreten. Was die Akzeptanz von Homosexuellen anbelangt, ist in den evangelischen Kirchen nach und nach ein wesentlich größerer Fortschritt zu verzeichnen.
In der anschließenden Gesprächsrunde wurde unter anderem darüber diskutiert, warum sich gerade die katholische Kirche so schwer tue mit dem Thema. Schließlich gebe es schon immer Homosexualität, die in der Antike sogar offen gelebt wurde. Andere Teilnehmer wiesen darauf hin, dass es genauso auch Zeiten gab, in denen Homosexualität als Krankheit angesehen wurde oder Versuche unternommen wurden, die Betreffenden „irgendwie umzuerziehen“.
Ein Teilnehmer konstatierte, dass das Verhältnis der Kirche zur Sexualität allgemein gestört sei. „Wenn der Geschlechtsakt nur in der Ehe und nur zum Zweck der Nachkommenschaft erlaubt ist, muss die Kirche Homosexualität ablehnen.“ Die Kirche grenze damit Menschen aus und verhalte sich so im Widerspruch zu Jesus, der gerade die Ausgegrenzten in die Gemeinschaft zurückgeholt hat.
Kontroverse Diskussion in St. Peter und Paul
Ähnlich positionierte sich ein Teilnehmer, der auf die „Leibfeindlichkeit“ der katholischen Kirche hinwies und dafür viel Zustimmung erntete. Eine Teilnehmerin widersprach dagegen vehement und verwies auf die „Theologie des Leibes“, die von Papst Johannes Paul II. in 133 Mittwochskatechesen von 1979 bis 1984 entwickelt wurde.
Weniger theologisch als praktisch blickten andere Teilnehmer auf die Problematik „Homosexualität und Kirche“: So müssten homosexuelle Menschen, die einen kirchlichen Arbeitgeber haben, zum Beispiel auch oft mit Konsequenzen rechnen, sofern sie ihre Homosexualität sichtbar leben. Der ein oder andere wechsele daher auch die Konfession, um dem aus dem Weg zu gehen.
Auf die Frage, ob im Neuen Testament etwas zu Homosexualität zu lesen sei, erklärte Pöschl, dass die Evangelien dazu nichts berichten. Eine Teilnehmerin wandte ein, Paulus habe in verschiedenen Briefen dargelegt, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen nicht im Sinne Gottes seien (vgl. z.B. Röm 1, 26-27). Pöschl wies darauf hin, dass es in diesen Bibelstellen nicht um Homosexuelle gehe, sondern um „Knabenschänder“ (vgl. z.B. 1 Kor 6, 9-10).
Ein Teilnehmer gab außerdem zu bedenken, dass die Texte in der Bibel für die Menschen ihrer Zeit geschrieben wurden und man überlegen muss, wie man sie heute für unsere Zeit interpretieren kann:
„Nicht wörtlich nehmen, sondern Glaube und Vernunft walten lassen.“
Wenn Jesus in der damaligen Zeit Ausgestoßene in die Gemeinschaft zurückgeführt habe, müssten auch wir uns jenen zuwenden, die von Gesellschaft und Kirche nicht angenommen werden.
Eine Teilnehmerin beschrieb als besonders schmerzlich, dass sie als Geschiedene in der katholischen Kirche keinen Platz habe und ihre Tochter, die mit einer Frau verheiratet ist, auch nicht. Sie sei selbst aber überzeugt, dass Gott alle einlade und nur so könne sie noch in dieser Kirche sein und sich einbringen.
Die Moderation plädierte dafür, allen Menschen zu zeigen, dass sie in der Gemeinde angenommen werden – unabhängig von ihrer Sexualität. Zur Annahme von Lesben und Schwulen gehöre aber auch, sie ihre Sexualität ausleben zu lassen. Hier gehe die Amtskirche mit ihrer Akzeptanz von Homosexuellen bei gleichzeitiger Ablehnung ihrer sexuellen Bedürfnisse nicht weit genug.
Pöschl griff dies auf und wünschte sich:
„Es wäre schön, wenn es einfach ganz normal und langweilig würde, homosexuelle Ehepaare im Gottesdienst zu sehen. Dazu gehört auch, dass ihre Partnerschaft von der Kirche gesegnet wird.“
Text: Christa Aubel