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Junger Wein in alten Schläuchen - das kann nicht gut gehen

Junger Wein in alten Schläuchen - das kann nicht gut gehen
Junger Wein in alten Schläuchen - das kann nicht gut gehen
© Gaby Socher-Schulz

Predigt

Liebe Gemeinde,

Seit ihren Anfängen begleitet Wein die Menschheit. Bereits in der Antike wurde er zum wichtigsten Getränk. Er machte das oft verunreinigte Wasser genießbar. Bald aber kamen die Menschen auf den Geschmack. Man sieht üppige Trauben und deren Ernte auf ägyptischen Wandgemälden oder auf babylonischen Reliefs. In in den großen Mythen wird der Wein gepriesen als etwas Heiliges. Bei Griechen und Römern hatte er einen hohen Stellenwert, er galt als Nektar der Götter. Etwa im Bacchuskult berauschte man sich, um dieser Anderswelt besonders nah zu sein. Eine tiefe Wertschätzung erfuhr er in der Bibel, im Alten, wie im Neuen Testament. In dem Schöpfungspsalm 104 wird der Wein hervorgehoben, als Gottesgabe, die das Herz des Menschen erfreut. Gott will, dass wir uns des Lebens freuen und nicht griesgrämig hinter verstaubten Traditionen versauern. Und Jesus geht noch einen Schritt weiter. Er identifiziert sich selbst mit diesem Weinstock, dem wir als Reben eng verbunden sind. Beim letzten Abendmahl schenkt er sich uns in Wein und Brot. - In Wein und Brot kommt er uns ganz nah. Beides ist Hauptbestandteil unserer Liturgie. Die Römer hatten eine etwas eigenartige Tradition. Sie tranken keinen puren Wein, das galt für sie als barbarisch. Sie hatten immer eine Karaffe mit Wasser daneben stehen. Diesem Brauch mussten sich die ersten Missionare anpassen, weshalb heute noch Wein und Wasser im Kelch gemischt werden. 

Jesus wählt den Wein auch als Bild für seine Gleichnisse. Er war ein Kenner, das macht er hier deutlich und weist auch diesmal die ewig gestrigen Pharisäer mit einfachen Beispielen in ihre Schranken. Dass sich Jesus nie an sinnfreie Traditionen hielt, das hat er oft genug bewiesen. Als man ihm wieder einmal vorwarf, dass er sich nicht an die Satzungen der Alten halte, wählte er ein drastisches Bild. Alten und jungen Wein und dessen Lagerung. 

Die Juden waren ein Hirtenvolk, sie füllten Wein in Lederschläuche, die sich leicht an den Gürtel binden, und mitnehmen ließen. Zuerst musste der Wein lagern und dann wurde er abgefüllt. Länger gereiften Wein, der ruhiger und gesetzter ist, kann man auch mal in alte Schläuche füllen, ohne dass etwas passiert. Junger Wein aber, der noch im Gärungsprozess ist, wie Federweise, der hat noch Kraft und muss sich entfalten, der würde in einem geflickten Schlauch explodieren und ihn zerreißen. Darum werden Federweiseflaschen noch nicht verkorkt, sondern nur mit einem Plastikverschluss lose verschlossen Ist beim Transport manchmal schwierig, aber muss sein. Junger Wein braucht Platz, braucht einen Rahmen, der ihn zusammenhält. Und wie ist das mit altem Wein? Der ruht in sich und wird mit den Jahren noch besser. Wenn er aber zu lange ruht, dann kippt er um und wird  ungenießbar. Darum muss man auch beim alten Wein besonders auf die Lagerung achten. Wenn alte Weinschläuche immer nur geflickt und ausgebessert werden, nur nichts Neues machen, dann wird es selbst dem alten Wein zu bunt. Irgendwann bekommt der Schlauch Risse und der wertvolle Rebensaft läuft aus. Wenn dann noch zu viel Luft drankommt, wird selbst der beste Wein irgendwann schal. Heute würde man sagen, auf die Verpackung kommt es an. Aber selbst die beste Verpackung taugt nichts, ohne ihren Inhalt. Das gilt heute besonders für die Kirche. Wir haben etwas zu sagen, wir haben eine Botschaft, die die Welt und unser Leben verändern kann. Aber ohne die richtige Verpackung weckt sie nur wenig Aufmerksamkeit. Und vieles von dem, was da drin ist, wirkt ohnehin alt, verstaubt und passt nicht mehr in unsere Zeit. Das sieht Jesus auch so. Aber nur weil der Wein alt ist, ist er ja nicht schlecht. Im Gegenteil. Und viele, die sich an den alten Wein gewöhnt haben, wollen keinen neuen mehr. Schmeckt doch gut. Viele achten beim Kauf eines Weines auf den Jahrgang, je älter, je besser und teurer. . Aber Jesus sieht darin eine Gefahr. Wenn alter Wein zu lange lagert, zu lange in geflickten Schläuchen mitgetragen wird, kippt er um und wird zu Essig und bekommt einen sauren Beigeschmack. Jesus bringt uns neuen, frischen Wein, denn der alte Wein, den die Schriftgelehrten anbieten, taugt nichts. Und wenn dieser Wein noch heute in Moralpredigten, in Verboten und Verpflichtungen angeboten wird, dann hinterlässt das bei uns einen bitteren Geschmack. Jesus verlangt von den Menschen nicht, dass sie alles anders machen, er mischt sich nicht in ihr Privatleben ein, er übt keine Kontrolle, sondern er wendet sich den Menschen zu. Jedem sagt er, „du bist von Gott geliebt“, selbst den größten Sündern. Er schenkt uns ein Leben in Fülle, er schenkt uns Freude, er schenkt uns seine Gnade. Er will uns mit seinem neuen Wein auf den Geschmack bringen. Mag sein, dass alter Wein mit der Zeit besser schmeckt, aber er braucht die richtige Verpackung und darf nicht zu lange lagern, sonst taugt er nichts mehr. Die Zukunft gehört dem neuen Wein, den Jesus uns anbietet. Frauen und Männer von heute haben Ideen, wollen sich einbringen, wollen etwas ändern und mitgestalten, damit dieser Wein auch für junge Menschen schmackhaft bleibt. Aber solange die Kirche versucht, alle Reformbemühungen in alte Schläuche zu packen, hilft das nichts. Irgendwann platzen die, und Bums, ist alles weg. Wir müssen Wege finden, das Wertvolle, das durchaus im alten Wein enthalten ist, zu bewahren, aber dem Neuen müssen wir genügend Raum geben, damit sich seine guten Aromen entfalten können. Der Gärungsprozess beim jungen Wein ist wichtig, auch in der Kirche, da brodelt was, da kommt etwas hoch. Wenn man sich aber vernünftig zusammensetzt, überlegt und schaut, was kann man an Werten erhalten, was muss weg, dann kommt etwas Konstruktives dabei heraus. Dann veredeln wir den Wein, machen ihn schmackhaft, belebend, erfreuend, dann feiern wir gemeinsam ein Fest. Und so ein guter Tropfen ist ja auch nicht  zu verachten.

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