Siehst du mich? Lob auf den Zachäus-Menschen


Eingeladen zum Gottesdienst mit diesen Gedanken: Wen sprechen wir an, wen wollen wir ansprechen? Das ist eine der Fragen, wenn wir überlegen, welche (neuen?) Wege wir gehen wollen. Vielleicht genügen uns ja jene Menschen, die Kirche noch erreichen kann. Die sich noch interessieren für das, was entschieden, gelebt und gepredigt wird. Vielleicht ist es uns aber auch egal, wollen gar nicht wissen, wer die anderen sind. Und vielleicht wollen die anderen auch nicht wissen, wer ich bin? Hört mich jemand? Sieht mich jemand? Werde nicht auch ich häufig übersehen. In unserer Kirche? Auch, wenn ich noch da bin? Bin ich gar eine/r von denen, die man lieber gar nicht haben will? Bin ich ein Niemand oder sogar ein Störfaktor, weil ich anders bin oder denke als andere?

Einleitung
Eines fasziniert mich an den Evangelien und bringt mich immer zum Nachdenken. Die religiösen Führer der damaligen Zeit und auch die zwölf Freunde Jesu, die mit ihm durchs Land ziehen, bekommen oft ihr Fett ab, werden als karrieresüchtig hingestellt und verstehen Jesus mit seinen Anliegen trotz dauernder Belehrungen nicht.
Dagegen sind es die Figuren am Rand, die Besessenen, der blinde Bettler, die syro-phönizische Frau, die Samariterin am Brunnen und heute im Evangelium, der von allen gehasste Zöllner Zachäus, die Jesus suchen und deren Leben durch die Begegnung mit ihm einen ganz anderen Drive bekommt.
Mit diesen Erzählungen steht die Frage im Raum: Mit welchem Blick schaust du als Kircheninsider auf Menschen, die in keinem oder nur sehr losem Kontakt zur Kirche stehen?
Darum lief er voraus und stieg auf einen Maulbeerfeigenbaum, um Jesus zu sehen, der dort vorbeikommen musste. Als Jesus an die Stelle kam, schaute er hinauf und sagte zu ihm: Zachäus, komm schnell herunter! Denn ich muss heute in deinem Haus bleiben.
Lukasevangelium 19, 4-5

Gedanken
In den Kirchengemeinden wird überall viel darüber nachgedacht, wie man wieder mehr Gläubige für Jesus Christus und die christliche Botschaft interessieren kann. Und eigentlich nicht nur Menschen, die schon irgendwann einmal zum Glauben gekommen sind, sondern auch solche, die bisher noch keine Berührung mit dem christlichen Glauben hatten.
In der Vorbereitung auf den heutigen Gottesdienst wurde vom Vorbereitungsteam die Idee entwickelt, einen Zachäus zu kreieren und ihn in den Amber-Baum vor der Kirche zu setzen. Ich habe in den letzten Tagen viel über das heutige Evangelium (Lukas 19, 1-10) nachgedacht und komme zum Schluss: Zachäus passt gut zu den Menschen, denen wir einen (neuen) Zugang schaffen wollen. Ich finde, man könnte viele von ihnen Zachäus-Menschen nennen. Menschen, die ähnlich fühlen und denken wie dieser Zachäus damals oben im Maulbeerfeigenbaum. Denn viele haben es nicht mehr mit der Kirche, aber die Sehnsucht ist noch da, in einer besonderen Stunde etwas anderes zu erleben als was sonst im Leben gespielt wird. Einen Raum ganz bewusst zu auf sich wirken lassen, in dem seit Jahrzehnten gebetet, gefeiert, geklagt, gejubelt und geweint wird. Fragen an sich heranzulassen, einmal nachzudenken. Die Sehnsucht ist vielleicht noch da - wie bei diesem Zachäus damals – mit sicherem Abstand den Kontakt zu diesem Jesus zu suchen, sich von ihm in Frage stellen zu lassen und vielleicht Antworten auf eigene Fragen, die im Innern bohren, zu bekommen. Vielleicht sind viele Menschen, die wir nicht (bzw. noch nicht) kennen wirklich auf der Suche nach einem religiösen Erlebnis, nach einem „Innerlich-Berührt-Werden“. Und mir fällt beim Nachdenken über das Zachäus-Evangelium auf: Ja dieser Zachäus ist doch eigentlich der Patron der Ausschau-Haltenden, der Schutzpatron der Sucher, derer, die meinen, eigentlich nicht mehr richtig zu dieser Kirche zu gehören und doch die Sehnsucht in sich tragen, die Verbindung nicht ganz abreißen zu lassen. Ich blicke am gestrigen Nachmittag sehr nachdenklich von meinem Wohnzimmerfenster aus hinab auf den Zachäus in unserem Amberbaum. Und mir geht wieder neu auf: Ich bin doch auch ein Zachäus, der wie viele Menschen, Fernstehende und Nahestehende, auf der Suche ist, der etwas vom Zipfel des Mantels Gottes spüren möchte. Und ich stelle mir vor, wie der Gekreuzigte mit Interesse und mildem Blick auf diese Menschen und mich schaut und still zu uns sagt: Ihr Zachäuse, ich will bei euch einkehren und bei euch wohnen.
Es ist also eine lohnende Aufgabe, wenn wir uns um die Zachäus-Menschen dieser Welt bemühen!
Der Gottesdienst hat von einem Ort zum anderen geführt: von der Kirche mit dem Evangelium voran ins Gemeindezentrum.
Er hat betont, dass Jesus Christus unsere Mitte ist, um die wir uns versammeln, mit allen Teilnehmenden gemeinsam in einem Predigtgespräch nach Lösungen auf die aktuellen Fragen in unserer Gemeinde gesucht und die in den Mittelpunkt gestellt, die wie Zachäus zunächst lieber den Blick von außen sich bewahren wollen.
Im zweiten Teil des Gottesdienstes haben moderne Pop-Songs geholfen die Fragen der Zeit in Worte zu fassen.
Vorbereitet und gestaltet wurde der Gottesdienst von Steffi Gunkel, Elisabeth Kessels, Christina Kahlen-Pappas und Pfarrer Knud Schmitt.
