„Zuspruch“ auf hr2: Wettkampf - über sich hinauswachsen
Diakon Uwe Groß spricht in der Woche vom 5. bis 10. August 2024 ab ca. 6:30 Uhr in der Reihe „Zuspruch“ auf hr2. Hören Sie es sich live im Radio oder auf der Webseite des hr an oder lesen Sie den tagesaktuellen Text hier:
Wettkampf - über sich hinauswachsen
Manchmal schaue ich mir zurzeit die Wettkämpfe bei den Olympischen Spielen im Fernsehen an. Mich interessieren besonders die Judo-Wettkämpfe, weil ich früher selber über viele Jahre Judo betrieben habe. In meiner Jugendzeit bin ich damals oft sonntags mit meinem Verein zu Turnieren gefahren, um eine Landesmeisterschaft oder eine Vereinsmeisterschaft zu gewinnen. Ich war sicherlich nicht der Erfolgreichste unter meinen Vereinsfreunden, aber einmal habe ich es allen gezeigt.
Es war ein Mannschaftskampf um die Südwestdeutsche Judomeisterschaft. Jeder musste in seiner Gewichtsklasse drei Minuten kämpfen. Ich war als letzter an der Reihe, und von mir hing es ab, ob unsere Mannschaft auf das Siegertreppchen kommen würde. Wir kämpften um Platz 3. Ich habe in diesem Kampf alles gegeben, weil ich unbedingt wollte, dass unsere Mannschaft Dritter wird. Während des Kampfes war ich wie in einem Tunnel total fixiert auf den Kampf mit meinem Gegner. Was ich aber sehr wohl wahrgenommen habe war, wie mich alle aus meiner Mannschaft angefeuert haben und „Uwe, Uwe du schaffst das“ gerufen haben. Das hat mich so stark gemacht, dass ich den Kampf zwar nicht gewinnen, aber ein Unentschieden halten konnte, was für die Bronzemedaille gereicht hat. Alle Kämpfe davor und danach habe ich vergessen, diesen einen Kampf aber nicht. Ich war wahnsinnig stolz auf mich selbst, dass ich diesen Sieg für meine Mannschaft letztlich errungen hatte. Das hab ich nie vergessen, und wenn ich heute davon erzähle, sehe ich noch alles vor mir.
„Uwe Uwe, du schaffst das.“ In diesem Kampf habe ich erfahren: Es gibt nichts, was einen so motiviert, wie wenn andere an dich glauben. Die Zurufe und das Zutrauen von außen hat mich über mich hinauswachsen lassen und mir Kräfte gegeben, an die ich selber nicht geglaubt habe. Diese Erfahrung im Judo habe ich auch später in anderen Lebenskämpfen gespürt. Als ich mich entschieden habe, meinen erlernten Beruf als Bauzeichner aufzugeben, um Seelsorger zu werden, dann auch bei einem sehr langen Krankenhausaufenthalt, und schließlich bei einer Trennung von einem lieben Menschen. Immer gab es um mich herum Menschen, die mich bestärkt haben: „Uwe Uwe, du schaffst das“.
Und auch ich will andere Menschen so ermutigen, als Freund, Ratgeber und Zuhörer: Mir ist es immer wichtig, nach vorn zu schauen. Meinem Gegenüber den Glauben daran zu geben: Es gibt nicht nur Situationen, in denen wir hinfallen, sondern auch Kräfte in uns, die uns aufstehen lassen. Ich sehe mich dann am Rande der Judomatte stehen und laut rufen: „Ja, du schaffst das. Du hast Kraft. Du hast Hoffnung und ein Ziel. Du schaffst das.“