Diakon Uwe Groß spricht in der Woche vom 24. bis 29. Juli ab ca. 6:30 Uhr in der Reihe „Zuspruch“ auf hr2. Hören Sie es sich live im Radio oder auf der Webseite des hr an oder lesen Sie den tagesaktuellen Text hier:
Gott „in allen Dingen suchen“
Schon übermorgen ist auch der Monat Juli wieder vorbei. An diesem letzten Tag im Juli steht ein Heiliger im Kalender, der mir viel bedeutet: der heilige Ignatius von Loyola. Er ist einer der Heiligen, die nicht so sehr im Rampenlicht stehen wie Nikolaus oder Martin, dafür aber für die Kirche trotzdem eine große Bedeutung hat. Ignatius ist der Gründer des Jesuitenordens, also des Ordens in der katholischen Kirche, der sich vor allem nach der Reformation durch Gründung von Schulen und Universitäten darum gekümmert hat, dass der Glaube auf einem hohen intellektuellen Niveau weitergegeben werden konnte. Die Jesuiten sind oftmals Wissenschaftler in mehreren Disziplinen und gelten nicht selten als die Elite in der Katholischen Kirche. Auch der jetzige Papst Franziskus ist ein Jesuit.
In Frankfurt gibt es noch heute eine private Hochschule der Jesuiten, sie heißt Sankt Georgen, und ich hatte das große Glück, dort vor dreißig Jahren studieren zu können. Was mich immer an den Jesuiten fasziniert hat, ist die Weite, die dieser Orden im Denken vermittelt.
Ein Grundsatz von Ignatius von Loyola lautet: „Wir können Gott in allen Dingen suchen und finden: im Sprechen, im Gehen, im Sehen, im Schmecken, im Hören, im Denken, überhaupt in allem, was wir tun.“ Und diese Weite, in der Ignatius über Gott zu denkt, habe ich auch in den fast dreißig Jahren meines Seelsorgerseins versucht zu verkünden. Das, was Gott in meinem christlichen Verständnis ausmacht, ist die Liebe. In der Bibel heißt es sogar: Gott ist die Liebe (1 Joh 4,16).
Wenn ich spreche, kann ich im Dialog mit anderen das Verbindende oder das Trennende sehen, ich kann im Sprechen eine Brücke bauen oder eine Brücke abreisen. Das entscheidet darüber, ob Gott erlebbar wird.
Wenn ich sehe, kann ich versuchen, das Gute in allem zu sehen, oder das, was defizitär ist, ich kann die Stärken oder die Schwächen des anderen in den Blick nehmen, ich kann das Glas halb voll oder halb leer sehen. Mein Sehen entscheidet darüber, ob Hoffnung und Zuversicht oder Resignation und Abwertung bei mir die Oberhand gewinnen.
Wenn ich denke, kann ich versuchen, Weite und Toleranz in meine Denkwelt zu bringen, in dem ich andre Sichtweisen akzeptiere, oder ich kann der Meinung sein, dass nur mein Denken das Richtige ist. Je nach Sichtweise entsteht Frieden oder Unfrieden.
Gott in allen Dingen suchen und finden: Für mich ist Gott nicht nur in der Kirche zu finden. Ich finde Gott in Musik, die mir Trost gibt. Ich finde Gott in Gesprächen, in denen wir uns wirklich zuhören und beistehen. Ich finde Gott in der Stille der Langeweile, wo ich einfach einmal gar nichts tun will und muss. Ich finde Gott in der Unendlichkeit der Sternenwelt, in die ich abends schaue. Ich finde Gott in einem schönen Urlaub. Ich finde Gott in allen Dingen, die mich aufbauen.
Ignatius hätte wohl heute gesagt: „Denkt nicht zu klein von Gott. Gott ist viel mehr, als du jemals schmecken, riechen, denken oder sprechen kannst.“