Diakon Uwe Groß spricht in der Woche vom 14. bis 19. April 2025 ab ca. 6:30 Uhr in der Reihe „Zuspruch“ auf hr2. Hören Sie es sich live im Radio oder auf der Webseite des hr an oder lesen Sie den tagesaktuellen Text hier:
Gründonnerstag – Abschied feiern
Für Christen wie mich ist der heutige Donnerstag ein besonderer Donnerstag. Es ist der Gründonnerstag. Er heißt nicht deswegen so, weil die Wiesen allmählich wieder schön grün werden, sondern: Das Wort „Grün“ kommt in diesem Zusammenhang von dem altdeutschen Wort „greinen“, was soviel wie weinen heißt. Es geht um das Weinen zum Abschied. Jesus hat mit seinen Freunden ein Abschiedsmahl gefeiert. Das letzte Abendmahl. Daran denken Christinnen und Christen heute, wenn sie zu einem Gottesdienst gehen.
Ich denke auch an viele Abschiede in meinem Leben: Abschied von der Schulzeit, Abschied vom Zivildienst, vom Studium. Abschied von einer liebgewordenen Arbeitsstelle, Abschied von liebgewordenen Menschen. Abschied ist fast immer mit Trauer verbunden und manchmal ist er auch zum Weinen. Gründonnerstag.
Ich erinnere mich daran, als ich zum ersten Mal richtig verliebt war. Ich hatte Elisabetta aus Bologna mitten in den schottischen Highlands kenngelernt. Wir haben uns unzählige Briefe geschrieben. Nach dem Abitur haben wir uns zu einem gemeinsamen Urlaub in der Schweiz getroffen. Sie kam aus Italien und ich aus Deutschland. Mit meiner klapprigen Ente sind wir durch die Schweiz gefahren und hatten unbeschwerte Tage. Als ich nach Haus kam, habe ich nur noch geweint. Der Abschied von Elisabetta fiel mir schwer. Meine Mutter tröstete mich. Erst Monate später haben Elisabetta und ich uns wiedergetroffen.
Ich denke auch an die letzten drei Jahre: meine Eltern sind beide gestorben. Nun habe ich noch meine Geschwister. Wir verkaufen unser Elternhaus. Ich erlebe es so: wenn die Eltern nicht mehr da sind, verliert man liebe Menschen und auch ein Stück Heimat.
Abschied kann aber auch Befreiung sein. Ich erinnere mich, als ich 16 Jahre alt war, hab ich eine Berufsausbildung begonnen. Ich hatte mich entschieden vom Gymnasium abzugehen. Während meiner Ausbildung hab ich alle meine ehemaligen Mitschüler beneidet, dass sie noch in der Schule sind. Ich hab einen Beruf erlent, den ich nicht wirklich wollte. Ich war froh, als die Ausbildung vorbei war und ich etwas Neues beginnen konnte: Ich wurde Seelsorger. Manchmal ist Abschied traurig, schlichtweg zum Weinen. Manchmal ist Abschied aber auch eine Befreiung. Dann, wenn ich merke: Es kann nur besser werden.
Beides gehört zu meinem Leben, und darum weine ich manchmal und ein andermal lache ich beim Abschied.