4. Oktober 2025
„Zuspruch“ auf hr2: „Franz von Assisi“
Franz von Assisi
Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, fallen mir immer wieder Filme ein. Heute denke ich an einen italienischen Schwarzweißfilm aus dem Jahr 1950. Er heißt „Franziskus, der Gaukler Gottes“. Ich hab mir diesen Film später als DVD gekauft, weiß aber noch genau, wie ich ihn mit vielleicht zehn Jahren zum ersten Mal geschaut habe. Eine Szene aus dem Film des Regisseurs Roberto Rossellini berührt mich bis heute besonders:
Franziskus, der heilige Franziskus, ein Mönch aus dem 12. Jahrhundert, rennt einem ausgestoßenen Leprakranken nach, bittet ihn, sich umzudrehen, und dann umarmt Franziskus den unheilbar Kranken, der völlig entstellt ist. Diese Szene habe ich nie vergessen, und wenn ich an Franz von Assisi denke, dann an genau diese Szene. Franz oder auch Franziskus überwindet seine Angst den Unberührbaren zu berühren, den hässlich-Entstellten zu umarmen, dem Ausgestoßenen spüren zu lassen: Du bist ein geliebter Mensch.
Mir läuft es noch jetzt kalt über den Rücken, wenn ich an diese Szene denke. Angst überwinden, Menschen, die abgeschrieben sind, Liebe schenken. Das ist die Hauptbotschaft dieses Franz von Assisi für mich, der Heilige, der heute in der katholischen Kirche gefeiert wird, der vom Time-Magazin einmal als „Mann des zweiten Jahrtausends“ bezeichnet wurde und der einem Papst den Namen gab.
Ich denke auch an die Zeit, als ich vor 35 Jahren zum ersten Mal in Frankfurt für die Obdachlosenhilfe gearbeitet habe. Ich hatte Angst mir irgendwelche Krankheiten einzufangen oder tätlich von den nicht immer friedliebenden Obdachlosen angegriffen und verletzt zu werden. Ich habe diese Angst überwunden, indem ich über einige Wochen in dem Obdachlosentreff einfach mitgearbeitet haben.
Genauso ging es mir bei einem Praktikum in einem Altenheim. Dort musste ich für die Körperpflege der Seniorinnen und Senioren auch alles möglich machen, vor dem ich normalerweise zurückschrecke. Seitdem ist mir klar geworden: Ängste überwinde ich nur dadurch, dass ich mich der Situation stelle. Und gerade die Ärmsten und Schwächsten brauchen unsere ganz praktische Hilfe. Der heilige Franz von Assisi hat mich für mein Leben gelehrt, nicht bei meinen Ängsten stehen zu bleiben, sondern durch Liebe die Angst zu überwinden.